„Wir sind in der ungefähr zehntausendjährigen Geschichte das erste Zeitalter, in dem sich der Mensch völlig und restlos problematisch geworden ist: in dem er nicht mehr weiß, was er ist; zugleich aber auch weiß, dass er es nicht weiß.“
(Max F. Scheler | Die Sonderstellung des Menschen im Kosmos, 1928)

Wer bin ich überhaupt? Eine Frage, die weit über biografische Daten hinausgeht und vielleicht gerade deshalb nie ganz beantwortet werden kann. Sie begleitet mich seit jeher im Hintergrund meines Denkens. Was ich mit Sicherheit sagen kann: Ich bin in erster Linie Mensch – mit all meinen Fragen, Zweifeln und Träumen. Die im WAIS-IV-Test bei mir festgestellte Hochbegabung ist ein Teil von mir, aber sie definiert mich nicht. Sie erklärt vielleicht, warum mein Denken oft in tieferen Schichten gräbt, aber sie sagt wenig darüber, was mich im Innersten bewegt. Schon als Kind war ich von einer tiefen Neugier erfüllt. Ich wollte nicht nur wissen, wie die Welt funktioniert, sondern ich wollte verstehen, warum sie so ist, wie sie ist. Antworten, die nur an der Oberfläche kratzen, genügten mir nie. Ich suchte nach dem, was darunter liegt – also nach dem Verborgenen, ja, dem Wesentlichen. Die Nächte unter dem Sternenhimmel waren für mich nie bloß schön, sondern sie waren für mich Einladung und Rätsel zugleich. Unendliche Weiten, die flüstern: Hier gibt es mehr, als du ahnst. Was sich wohl jenseits unseres Blicks verbirgt? Was wir eines Tages verstehen werden? Und was vielleicht für immer im Dunkeln bleibt? Diese Fragen treiben mich heute noch an. Und vielleicht ist genau das meine Antwort auf die Frage: Wer bin ich? – Ich bin ein Suchender. Ein Mensch auf der Reise.
Ich war sechs Jahre alt und meine Eltern und ich verbrachten den Sommerurlaub in Italien. Vom Strand aus beobachtete ich staunend, wie riesige Kreuzfahrtschiffe schwerelos über das Wasser glitten. Wie konnte etwas so Massives schwimmen, anstatt zu versinken? Ja, während andere Kinder Sandburgen bauten, zog es mich in Gedanken zu Phänomenen, die größer waren als ich – nämlich zu den Prinzipien, die unsere Welt im Innersten zusammenhalten und erklärbar machen. Auch an Land wurde mein Blick gefesselt: Polizist:innen patrouillierten durch die belebte Tourist:innen-Zone. Nicht aus eigenem Willen handelnd, sondern als Repräsentant:innen eines abstrakten Konstrukts – des Staates, der Gesetze, der Ordnung. Mich faszinierte dieses Wechselspiel von individueller Handlung und kollektiver Verantwortung. Und dann waren da noch die Tiere – Hunde, die ihre Menschen begleiteten und viele streunende Katzen. Und ja, auch Möwen über dem Wasser. Ich begann, den Unterschied zwischen uns und ihnen zu hinterfragen. Was unterscheidet den Menschen vom Tier? Ist es wirklich nur die ratio, wie es so oft heißt? Zu Hause versuchte ich, unserer Katze „Kitty“ Vernunft beizubringen. Vergeblich. Doch ihre Weigerung, sich belehren zu lassen, war keine Enttäuschung, sondern sie war der Anfang einer Reise für mich. Einer Reise zu Aristoteles, zu seiner Tierphilosophie und zu seinem Verständnis des logos. Ja, und das alles mit gerade einmal sechs Jahren. Aristoteles gab mir erste Orientierung, aber auch Widerspruch. Seine Vorstellung, dass der Mensch den Tieren überlegen sei, ließ mich nicht los, aber auch nie wirklich ruhen. Und so zog ich Konsequenzen: Mit 14 wurde ich Vegetarier, später dann Veganer. Nicht aus bloßer Rebellion, sondern aus Überzeugung. Ich forderte von mir selbst Klarheit, Konsequenz und schlussendlich Haltung. Diese Konsequenz prägt mich bis heute. Und das nicht nur in ethischen Fragen, sondern überall dort, wo Integrität und innere Kohärenz gefordert sind.
Einige Jahre später, im Jahr 2011, begegnete mir – eher zufällig – ein Mensch, der mein Denken auf eine neue Ebene hob: Ein Mathematikprofessor, der an einer Universität in Deutschland lehrte und forschte und dessen Leidenschaft für sein Fach ebenso ansteckend wie inspirierend war. In einem kurzen, fast beiläufigen Gespräch machte er mich auf ein mathematisches Rätsel aufmerksam, das bis heute als eines der größten ungelösten Probleme der mathematischen Wissenschaft gilt – die sogenannte Riemannsche Vermutung. Was mich dabei tief berührte, war nicht nur die Komplexität des Problems selbst, sondern die Art, wie er darüber sprach: Mit leuchtenden Augen, mit Hingabe und mit einem aufrichtigen Staunen vor dem, was wir noch nicht wissen. Es war, als hätte sich in diesem Moment ein neues Tor für mich geöffnet – nicht nur zur Mathematik, sondern zur Wissenschaft als solcher. Zu den offenen Fragen, den Grenzbereichen des Verstehens und dem Mut, sich mit dem Unvollständigen zu beschäftigen. Obwohl ich selbst nie Mathematiker geworden bin, hat mich die Riemannsche Hypothese seither nicht mehr ganz losgelassen. Sie ist für mich Symbol einer größeren Wahrheit: Dass die Suche nach Erkenntnis oft wichtiger ist als ihre Vollendung. Und dass wahre Begeisterung für Wissen etwas ist, das sich tief ins Herz eines jungen Menschen einprägen kann – und ja, auch für ein ganzes Leben.
Die Folgen meiner Wissbegierigkeit? Lesen – immer wieder, immer tiefer. Beobachten, Infragestellen, Vergleichen. Denken, nicht nur reproduzierend, sondern prüfend und erforschend. Schon früh wurde dieses aufmerksame und forschende Sein zu meiner Haltung gegenüber der Welt. Ich wollte nicht einfach hinnehmen, sondern ich wollte verstehen. Diese Suche nach Wahrheit war keine beiläufige Neigung, sondern ein innerer Drang. Und er führte mich konsequent an die Universität. Nicht aus Karriereambitionen oder wegen äußeren Erwartungen, sondern aus einem schlichten, aber machtvollen Bedürfnis heraus: Ich wollte wissen, wie die Welt funktioniert. Warum sie ist, wie sie ist. Und was das für uns Menschen bedeutet. Die großen Fragen eben – nicht nur der Philosophie, sondern des Lebens selbst. Mir war dabei klar: Dies würde kein geradliniger oder gar bequemer Weg werden – im Gegenteil: Ich ahnte früh, was Max Weber (1864-1920) mit dem Begriff des Hazards letzten Endes meinte – nämlich, dass der Pfad des Erkenntnissuchenden oft ein steiniger ist, voller Zweifel, Umwege und unbeantworteter Fragen. Und doch war – und ist – da etwas in mir, das unbeirrbar weiterfragt. Mein Wissenstrieb war nie auf schnelle Antworten aus – und er wird auch nie ganz gestillt sein, das bin ich mir bewusst. Aber genau darin liegt für mich ein tiefer Sinn: In der beständigen Bewegung des Denkens und im Streben nach Tiefe in einer oft oberflächlichen Welt.

Und meine Studienzeit? Uni-Luft war für mich zunächst nichts Neues, immerhin war ich während meinem letzten Maturajahr bereits als außerordentlicher Studierender an der Universität inskribiert. Nebenbei legte ich zwei Berufsausbildungen ab. Endgültig als ordentlicher Student an der Universität angekommen, richtete sich mein Fokus auf das Staatsgefüge, seine Ordnungspolitik, das Recht und die Ziele und Zwecke regulatorischer Funktionen – sprich auf klassische Rechts- und Verwaltungswissenschaften. Aber das war mir nicht genug, denn immer schon wollte ich gleichsam „hinter die Kulissen“ blicken – und dabei eben den Menschen als Individuum mit seinen verschiedenen Motiven detaillierter hinterfragen. Diese Auseinandersetzung, die schon seit der griechischen Antike ein Grundpfeiler der Erkenntnis ist, lenkte mein Interesse zunehmend auf ethische und moralische Elemente. So fand ich neben den Rechts- und Verwaltungswissenschaften auch zur Philosophie. Ich erkannte, dass sich Recht, Verwaltung und Philosophie als Forschungsgebiete inter- und multidisziplinär ergänzen. Philosophisch ausgedrückt: Alles fließt, πάντα ῥεῖ.
Wohin mit meinem inneren Wissensdurst? Dieser führte mich beruflich über mehrere Umwege in den wissenschaftlich-akademischen Sektor – und in der wissenschaftlichen Forschung und Lehre fand ich meine Heimat. Die Bereiche Recht, Verwaltung und Philosophie bilden heute meine wissenschaftlichen Spezialgebiete, die, wie ich finde, nie wirklich zu Ende studiert werden können. Mein wissenschaftliches Interesse gilt im Speziellen den unterschiedlichen Konnexen zwischen der Rechtswissenschaft, der Verwaltungswissenschaft und der Philosophie. Im Hinblick auf meine präventionstheoretische Forschung setze ich mich mit der Verbindung von Recht, Management und Psychologie auseinander und untersuche, welche zentrale Stellung dabei die Moral einnehmen kann. Im Kontext meiner Promotion beschäftigte ich mich darüber hinaus intensiv mit Fragen von Recht und Ethik in Bezug auf Bilanzfälschungen. Dabei versuchte ich, positivrechtliche Aspekte mit moralischen und rechtsphilosophischen Fragestellungen, vor dem Hintergrund der Durchführung doloser Handlungen, zu verknüpfen.

Und nun? Nach mehreren wissenschaftlichen Stationen, folgte ich im Jahr 2023 dem Ruf an die Hochschule für Angewandte Wissenschaften Campus Wien (University of Applied Sciences). Seitdem lehre und forsche ich ebendort als Assistant Professor/Habilitand (PostDoc) am Department für Verwaltung, Wirtschaft, Sicherheit und Politik und am Research Center Administrative Sciences (RCAS). Darüber hinaus forsche ich seit dem Jahr 2024 am interfakultären Institut für künstliche Intelligenz und digitale Transformation an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Sigmund-Freud-Privatuniversität Wien und Berlin. Dort leite ich seit November 2024 außerdem das Department für Ethik der künstlichen Intelligenz.
Im Rahmen meiner Habilitation gilt mein Forschungsinteresse im Besonderen den heterogenen Phänomenen der sog. „Staatsverweigerer:innen“ im DACH-Raum. Dabei analysiere ich ihre Beziehung zu Staat, Recht und Verwaltung, insbesondere vor dem Hintergrund des hobbesschen Kontraktualismus. Für mein Forschungsvorhaben bin ich u. a. Mitglied der Forschungsgruppe „Extremismus/Terrorismus“ des Kölner Forums für Internationale Beziehungen und Sicherheitspolitik (KFIBS) und seit November 2024 Leiter ebendieser Forschungsgruppe. Zudem forschte ich zur Habilitationsthematik im Sommer 2024 an der Harvard University in Cambridge, Massachusetts, USA und bin ebendort Gastforscher. Im September 2024 gründete ich außerdem die Forschungsstelle für Staatsverweigerung und subversiven Extremismus (FSTE) in Wien, die mit dem KFIBS und der österreichischen Direktion für Staatsschutz und Nachrichtendienste (DSN) kooperiert. Das Ziel: Die Merkmale von Staatsverweigerung aus interdisziplinärer Perspektive zu analysieren (Recht, Politik, Philosophie, Soziologie, etc.). Die Forschungsstelle umfasst mehr als 14 Expert:innen, die sowohl aus der Wissenschaft als auch aus der Praxis stammen und ist die erste Forschungsplattform dieser Art im gesamten deutschsprachigen Raum.
Und so verstehe ich Wissenschaft, nämlich anhand von drei zentralen Merkmalen:
Wissenschaft bedeutet für mich in erster Linie Berufung. Wissenschaft ist für mich kein Beruf im herkömmlichen Sinne, sondern sie ist Berufung. Sie ist kein abgeschlossener Raum mit festen Arbeitszeiten, sondern eine Haltung, die sich durch den Alltag zieht. Oft offenbart sich das Wissenschaftliche im scheinbar Banalen – in einem Gespräch, einer Beobachtung oder einer Irritation. Immer jedoch ist sie bereits da: Die Frage, die Theorie und das Bedürfnis, tiefer zu verstehen. Der Bezug zur Theorie ist für mich ebenso essenziell wie der zur Praxis. Erkenntnis muss fundiert sein, aber auch wirksam. Es geht mir nicht nur um abstrakte Systeme, sondern um deren Relevanz in der konkreten Welt. Was mich dabei antreibt, ist Leidenschaft – und eine starke, nicht verhandelbare, intrinsische Motivation. Jene, die Wissenschaft vorrangig aus ökonomischem Kalkül betreiben, sind zahlreich – ja, zu zahlreich! Wenn Forschung zur Fassade für Prestige und Profit verkommt, verliert sie ihr eigentliches Potenzial. ➔ Welcome to reality.
Wissenschaft ist umgeben von Buntheit. Wissenschaft ist kein starres System, sondern sie ist lebendig, vielstimmig und vor allem bunt. Sie lebt vom Wandel, vom Perspektivwechsel und vom starken Mut, alte Gewissheiten zu hinterfragen. Wer sich nur im Gestern verankert, wird das Heute nicht begreifen – und somit auch das Morgen verpassen. Gerade in einer Zeit rasanter Veränderungen bedeutet wissenschaftliches Arbeiten, sich selbst immer wieder neu auszurichten, neu zu denken und selbst neu zu lernen. Stagnation ist jedenfalls keine Option. Veränderung nicht als Bedrohung, sondern als Antrieb zu sehen – das ist für mich der einzige Weg, intellektuell wie menschlich beweglich zu bleiben. ➔ Challenge accepted.
Wissenschaft deutet für mich auf Begrenztheit hin. Wissenschaft zeigt uns nicht nur, was wir wissen können, sondern sie erinnert uns auch stets daran, was wir nicht wissen. Bereits Stephen Hawking (1942–2018) mahnte eindringlich, dass es Grenzen des Erkennens gibt. Seine Worte wirken bis heute nach: „Der größte Feind des Wissens ist nicht Unwissenheit, sondern die Illusion, wissend zu sein.“ Diese Einsicht ist für mich keine Kapitulation, sondern ein Aufruf zur Demut. Denn wer forscht, wer fragt und wer wirklich verstehen will, muss vor allem eines anerkennen: Die eigene Begrenztheit. Und genau darin liegt etwas zutiefst Menschliches. Wir sind Suchende und keine Götter. Wir irren, wir zweifeln und wir tasten uns vor. ➔ That’s life.